Dorstein

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Freyrín und Gavín verabschiedeten sich von den Soldaten, die sie nach Dorstein begleitet hatten und begaben sich mit dem Schreiben des Kommandanten zur Versorgungsstube der Armee, welche direkt hinter der ersten Mauer lag.

"Was? Euer Ernst?" Der dürre Mann hinter dem Schreibtisch starrte das Pergament an, als könne er nicht glauben, was da stehe.

"Das ist mein voller Ernst und der Eures Kommandanten.", versicherte Freyrín lächelnd. "Sechzig Töpfchen, Vorräte, Verbände, zwei frische Messer, einige Scheren in ebendiesen Spezifikationen, frischer Feuerstein und Stahl, Kleidung nach eben jenen Angaben und Futter für unser Pferd."

Der Mann schwitzte bereits, vor allem seine Stirn, wo er sich nun gedankenverloren drüber wischte.

"Das Siegel ist echt.", murmelte er, seufzte und nickte. "Der Kommandant wünscht es so, also bekommt der Kommandant es auch. Die Scheren könnten etwas dauern, aber ich kenne jemanden. Wir werden am Abend des dritten Tages von jetzt an alles beisammen haben. Wo können wir Euch finden?"

"Hm." Freyrín überlegte kurz. "Draußen vor der Stadt, links vom Tor. Dort werden wir unser Lager aufschlagen. Jorga verträgt Städte nicht."

Der Mann hob irritiert seine Augenbrauen, sagte aber nichts dazu, sondern machte sich Notizen auf seinem Papier und gab Freyrín das Schreiben des Kommandanten wieder, welches sie in ihrem Kleid versteckte.

"Habt Dank." Sie deutete Gavín ihr zu folgen und atmete erleichtert aus, als sie aus der stickigen Stube heraus- und auf die Straße hinaustraten. Kleinere Fuhrwerke und unsaubere Menschen verstopften in der Frühe den Weg, Schweiß, Korn und Tiere ließen ihre Gerüche in die Luft entweichen.

"Drei Tage.", murmelte Freyrín, schaute in Richtung Palast und Tempel, den sie von hier aus nicht sehen konnten. "Nun denn, dann soll es so sein." Sie wandte sich an Gavín. "Willst du heute schon zum Tempel oder reicht es, wenn wir beide morgen nach dem Mittagsgebet der Gläubigen gehen?"

"Ich wollte jetzt schon gehen.", antwortete er ihr, die Enttäuschung machte sich in seinem Magen breit. Er wollte die Statuen sehen, welche die Drachen wie lebendig aussehen ließen. Ein einziges Mal hatten sie einen Drachen in weiter Ferne gesehen, dieser war aber keiner der Götter, vermutete Gavín. Warum sollten sich Götter auf der Erde zeigen? Deswegen waren sie doch Götter, oder etwa nicht? Damit sie nicht auf der Erde wandeln - oder fliegen - mussten.

Seine Mutter schaute zum Himmel, nickte einmal und ließ ihre Schultern kreisen. "Dann komm, wir gehen jetzt, bevor wir unser Lager aufbauen. Ich will Jorga und den Wagen nicht allein lassen."

"Ja, Mutter!", rief Gavín aus, grinste breit wie manchmal Jorga und eilte sich, das Gefährt herumzudrehen, was ihm garstige Rufe und Protest einbrachte, aber Gelächter seiner Mutter und einiger anderer Frauen und eines Greises, der irgendetwas vom Überschwang der Jugend rief. Gavín hatte keine Ahnung, was damit gemeint war, winkte ihnen aber freundlich.

"Nicht so hastig!", lachte Freyrín neben ihm, konnte mühelos mit ihm und dem Wagen Schritt halten. "Ich würde gerne nach dem Mittagsgebet ankommen, wenn es recht ist. Dann ist es nicht so voll."

"Ach Mutter, die Priester sind doch immer einen Anblick wert."

"Aber ich möchte nicht zwischen den Betenden zerquetscht werden wie beim letzten Mal."

"Das verstehe ich. Wenn noch einmal jemand neben mir furzt, mache ich das auch. In sein Gesicht."

Wieder lachte die Druidin. "Aber mein Sohn, was raus muss, das muss eben raus." Sie zwinkerte. "Aber nicht vor den Priestern, in Ordnung?"

"Nein Mutter, das wäre unhöflich den Drachen gegenüber."

"Nicht den Priestern selbst?"

"Da sie in direkter Verbindung zu den Göttern stehen, wäre es ja fast so, als würde ich ihnen in die Nase pupsen; das will man doch als Gott nicht, oder?"

Freyrín lachte wieder, fuhr ihm durch die braunen Haare. "Nein, wohl nicht; du machst dir wohl viele Gedanken um die Götter?"

"Manchmal.", schmunzelte Gavín und duckte sich unter ihrer Hand weg. "Doch nicht vor all den Leuten."

"Doch, gerade dann, du bist mein Sohn, sollen sie doch schauen."

"Aber nicht dich doof anschauen."

"Und wenn doch..."

"Bin ich da!", grinste er breit und dachte an die eine Nacht, in der er diese komischen Männer in die Flucht geschlagen hatte mit ihrer Hilfe. Was Essig, Salz und etwas Kräuter als allergische Reaktion hervorrufen konnten, erstaunte ihn immer noch.

"Genau, dann bist du da."

Langsam dünnte sich der Strom der Menschen aus, verteilte sich zwischen den Häusern und in den verschiedenen Vierteln, auf den Feldern und den Werkstätten. Unrat verteilte sich auf den glatten Straßen und schon aus der Ferne konnten sie die Aufbauten sehen, welche den Tempel und den Palast schmückten.

Der Tempel war nach Süden ausgerichtet, genau wie der Palast, folgte der Bahn der Sonne. Die Sechs in ihrer Drachenform saßen auf jeweils einer der gewaltigen Säulen, welche Mauern trugen und die Stadt quasi teilten. Verteidigungsanlagen waren in die Säulen und die Verbindungsstücke eingelassen. Direkt über dem Tempeleingang und den massiven Doppeltüren schaute das Abbild eines Engels mit schwarzen Flügeln, welche erhaben ausgebreitet waren. Ihr schönes Gesicht schaute Richtung Sonne, aber die Baumeister hatten es irgendwie fertiggebracht, dass die Gläubigen und die Bewohner das Gefühl hatten, ihre mandelförmigen Augen würden dem Beobachter folgen wie so manche Bilder.

Entgegen einiger Statuen und Gemälde trug der Engel eine bodenlange Robe, die nur ihre Zehen zeigte, ihre Arme nach vorne gestreckt und wie einladend ausgebreitet.

Die Drachen schauten in Richtung der Türme und Verbindungsstücke, ihre Mäuler ein Stück geöffnet, die vier Beine klammerten sich an ihre Basis, die Flügel halb ausgebreitet und wie zum Anflug gewölbt, als würden sie sich gleich auf etwas stürzen wollen, was nur sie sehen konnten.

Alle waren aus weißem Stein gehauen worden, genauso wie der Tempel. Das einzige, was die Herrlichkeit des Tempels unterbrach, war ein schwarzer Balken direkt unter des Engels Füßen. Niemand hatte ihm beantworten können, warum das so war und was dieser schwarze Steinbalken für einen Zweck diente. Aber es musste schließlich irgendeinem Zweck dienen, glaubte Gavín. Erwachsene taten doch selten etwas, was keinem Zweck entsprach. Dumme Sachen vielleicht, aber zwecklos? Jedenfalls hatte er es so von seinen Eltern erfahren.

Der Tempel selbst war riesig, so riesig, dass er fast eine eigene Stadt war. Die beiden großen Flügeltüren waren den Flügeln des Engels nachempfunden worden und auf jeder Tür waren drei Drachen abgebildet, welche mit den geschuppten Köpfen nach unten auf die Eintretenden schauten. Alle ihre Augen waren gelblich-rot gefärbt aus Steinen, die in der Sonne leuchteten und glitzerten. Die Mittagssonne würde direkt auf den Tempel scheinen und auf die Tür, sodass die Augen richtig strahlten und auch den Engel in all seiner Pracht zeigten.

Hier war der schwarze Balken nun über der Tür. Offenbar ein auf den ersten Blick unsinniges Gebilde, aber es schien mehr als nur dem Zweck einer Abtrennung zu dienen. Aber Gavín verstand den Zweck nicht, er fand nur, dass es hübsch ausschaute.

Noch war die Steinbrücke vor der verschlossenen Doppeltür recht frei von Leuten. Das war auch der einzige Moment, in dem der Tempel verschlossen blieb: während der Reinigung vor dem Mittagsgebet.

Die ebenfalls weiße Brücke spannte sich über einen tiefen Wassergraben und wurde von vier dicken Ketten gehalten. Diese waren dazu gedacht, die Brücke anzuheben, aber bisher war das nicht passiert. 

Freyrín ließ ihn den Wagen an die Seite der Brücke lenken, welche den Graben überspannte und schaute eine der in weiß gekleideten Tempelwachen an, welche nur nickte. Er würde aufpassen, während sie das Gebet im Tempel begingen.

Nach und nach tröpfelten die Gläubigen ein, Gavín und Freyrín hatten beinahe ganz vorne ihre Plätze eingenommen und würden fast ganz vorne am Altar knien oder sitzen können. Das war das erste Mal, dass sie so früh eingetroffen waren. Gavín hatte den Altar noch nie aus der Nähe gesehen, immer nur vom Eingang des Tempels und kannte ihn nur als buntes Wirrwarr mit einigen Statuen oben und an den Seiten.

Dieses Mal saßen sie in der dritten Reihe der steinernen Bänke und hatten einen besonders guten Blick auf den Altar und die Kanzeln, welche neben dem Altar in der Luft zu schweben schienen. Die Kanzeln besaßen zwei Kerzenleuchter, jeweils einer an der Seite. Die insgesamt sechs Kerzen waren in den Farben der sechs Drachen gehalten und wurden erst entzündet, wenn die beiden Priester zum Gebet in die Kanzel traten. Der Altar wurde während des Gebets entzündet.

Gavín schaute auf das Blatt vor sich, welches auf der Rückenlehne der Bank vor ihm lag. Mittlerweile kannte er das Gebet auswendig, so brauchte er die Strophen nicht, aber andere Gläubige mit Sicherheit.

Der Priester in Weiß mit goldenen Nähten und Verzierungen, welche Flammen darstellen sollten, trat in die Kanzel, breitete die Arme aus. Das gleiche passierte auf der anderen Seite, wo nun eine ebenfalls in einer weißen Robe gehüllte Priesterin in die Kanzel trat.

Gleichzeitig mit identischen Bewegungen entzündeten die beiden Priester die Kerzen, welche ein warmes Licht verströmten. Nach jeder Kerze entflammten an den Wänden des Tempels identische Kerzen, beleuchteten die Fresken und Bilder der Drachen und Engel. Jeder der Engel, sowohl männlich als auch weiblich, war wunderhübsch anzuschauen und hatte neben strahlenden Augen ein Paar großer schwarzer Flügel, deren Federn aussahen wie die von Raben.

Die drei großen Glocken oberhalb des Tempels schlugen dröhnend sechs Mal und riefen so auch die letzten Gläubigen in den Tempel. Kleidung raschelte und nachdem der letzte Ton verklungen war, erstarben auch die leise geführten Gespräche.

"Die Sechs sind Leben.", sprach der männliche Priester mit volltönender Stimme, beide Priester hoben die Arme, goldene - oder bronzene? - Ketten an ihren Handgelenken klimperten leise.

"Die Sechs sind Leben.", wiederholten die Gläubigen und es hörte sich an wie lautes Flügelrauschen im Schiff des Tempels.

"Die Sechs sind Tod." Jetzt die Priesterin.

"Die Sechs sind Tod.", sangen die Gläubigen.

"Geheiligt werden ihre Namen."

"Geheiligt werden ihre Namen."

"Sie schützen und lehren uns."

"Sie schützen und lehren uns."

Gavín schaute zu den beiden Priestern auf, auch wenn die anderen Betenden ihren Kopf gesenkt hatten. Er bewunderte ihre Herrlichkeit, die nach oben gerichteten Gesichter unter den Kapuzen, beleuchtet von den Kerzen. Was er aber am meisten bewunderte, war die gestalterische Kraft der Maler und Bildhauer. Die Bilder an den Wänden folgten einem Weg nach vorne, hingezogen zum Altar, als würde dieser Kräfte walten lassen, die Gavín und seine Mitmenschen nicht fühlen konnten.

Die Drachen und Engel an den Wänden schienen auch auf den Altar zu blicken, Hände und Klauen wurden wie greifend oder sehnend dargestellt.

Der Altar selbst war eine kleinere Version des Tempeleingangs. Der Engel stand mit ausgebreiteten Flügeln über der Doppeltür, die sechs Drachen drumherum, schienen den Tempel entweder anzugreifen oder ihn beschützend zu umklammern.

Die Doppeltür des Altars war allerdings keine Doppeltür, sondern ein Fresko, welches Gavín nun das erste Mal aus der Nähe sehen konnte, wobei Details immer noch schwierig waren. Das Bild zeigte ein Ereignis von vor tausenden Jahren, welches gemeinhin nur als "Engelsfall" bekannt war.

"Lanialellara auf Jetzt und Immerdar.", rief die Priesterin.

"Auf Immerdar." Die Gläubigen ließen zumeist den Namen des Engels aus, da er sehr schwierig auszusprechen war, wenn man nicht darüber nachdachte. Auch Gavín hatte Probleme mit dem Namen, schaute zu seiner Mutter, die nun den Kopf hob und dabei recht nachdenklich ausschaute, während die ersten Kerzen am Altar entzündet wurden. Auch hier gab es sechs große Kerzen, für jeden Drachen eine in seiner eigenen Farbe: Rot, Grün, Gelb, Blau, Gold und Weiß.

"Ich würde gerne das Bild sehen.", flüsterte Gavín ihr zu und sie nickte.

"Nach dem Gebet.", hauchte sie zurück, ihre Augen hatten etwas von ihrem Glanz verloren. Da fuhr es Gavín wie ein Blitz durch den Leib: schwächten die Gebete ihre druidischen Kräfte? Er musste sie unbedingt fragen.

Der Priester gab eine Predigt über den Roten zum Besten, in der es darum ging, dass die Krieger des Lebens - wer auch immer diese Krieger waren - sich nicht durch die Wut hinreißen lassen, sondern ihre Wut kanalisieren und mit Bedacht vorgehen sollten. Wut war gut, wenn sie einem half, nur blinde Wut schadete mehr als dass sie helfen konnte.

Die Priesterin war allerdings anders. Sie sprach über den Grünen und in dem Moment begannen die Augen seiner Mutter wieder zu leuchten. Der Grüne war der Drache, der das Leben gebracht hatte und damit war alles Leben gemeint: Pflanzen, Tiere, Rassen. Vermutlich sollte das Zeichen der Druiden auch irgendwie auf den grünen Drachen hinweisen, jedenfalls konnte Gavín sich das gut vorstellen.

An welchen Drachen seine Schwester wohl glaubte?

Es folgte ein weiterer Gesang, der ähnlich war wie eingangs, aber sich an die Drachen richtete, dass sie in der nahen und fernen Zukunft über die Menschen wachen sollten. Dass dabei alle anderen Rassen ausgeschlossen wurden, war Gavín seit jeher ein Dorn im Auge, da er es auch nicht wirklich verstand. Er war mit seiner Mutter mal einem Sonnenelben begegnet und fand ihn sofort sympathisch. Warum die Menschen sie nicht einschlossen, war ihm unbegreiflich.

Nach dem Gesang gab es freiwilligen Feuerwein, welcher das Blut der Drachen und auch das Blut von Lanialellara darstellen sollte. Dies war sehr roter heißer Wein, der mit Gewürzen einen scharfen, manchmal bitteren Geschmack aufwies.

Freyrín und Gavín blieben sitzen, während ein Großteil der Gläubigen nach vorne strömte und sich in zwei ordentlichen Reihen einordnete: eine vor dem Priester und eine vor der Priesterin. Die Schlangen waren beinahe gleich lang, es gab auch keine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern, jeder bekam Wein und den Segen.

"Geht hin, seid den Drachen gewogen, so werden auch sie euch gewogen sein." Die beiden Priester winkelten den rechten Arm an, sodass ihre Finger nach oben zeigten und die Handfläche mit einer Segensrune darauf auf die Gemeinschaft, welche die Geste imitierte und sich dann langsam wieder aus dem Tempel begab. Gavín blieb sitzen, genau wie seine Mutter und ein paar andere Menschen, die aber im Gebet versunken zu sein schienen.

"Kann ich jetzt?", flüsterte Gavín, Freyrín nickte und fasste ihn an der Hand, damit er nicht sofort losstürmen konnte. "Mutter!"

"Nicht so hektisch.", sprach sie leise, um die Andächtigen in den Reihen hinter ihnen nicht zu stören. "Es läuft dir doch nicht weg."

Der Junge lachte und zog, aber seine Mutter war stärker als sie aussah, ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Die beiden Priester begannen bereits wieder damit, ihre Kerzen auf den Kanzeln und auf dem Altar zu löschen, als Mutter und Sohn vor dem Altar standen, Gavín mit halboffen stehendem Mund, während er das Bildnis des Engelsfalls in sich aufnahm.

"Ah, ein junger Gläubiger. Hallo, junger Mann." Die Priesterin trat an die beiden heran, ihre Hände in die Ärmel ihrer Robe gesteckt, die Kapuze immer noch auf dem Kopf, aber ihr schönes Gesicht war klar zu erkennen. Der Mann war genauso jung und genauso gekleidet, sein Kopf war aber glattrasiert. Damit schien er eine Ausnahme zu sein, denn viele Priester hatten noch reichlich Kopfbehaarung, wenn man sie in den Straßen der Städte sehen konnte.

"Und junge Frau.", sprach er Freyrín an, die nur leicht den Kopf neigte. "Was können wir für Euch tun?"

"Mein Sohn interessiert sich für den Altar und den Engelsfall.", erklärte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Und bevor ich es ihm eventuell unzureichend erkläre und er Fragen hat, die ich nicht beantworten kann, so wäre es doch sicherlich am sinnigsten, wenn die Priesterschaft der Drachen es ihm beibringt."

"Ihr seid weise, gnädige Frau." Der Priester verneigte sich vor ihr, wandte sich an Gavín. "Was weißt du bereits, junger Herr?"

"Lanialellara fiel aus dem Himmel und errichtete ein Reich, welches es heute nicht mehr gibt.", platzte es wie ein Schwall aus Gavín heraus.

"Das ist die Kurzform, aber ja.", schmunzelte der Priester, zog die Hand aus seinem Ärmel und deutete auf den Altar, geleitete Gavín hinauf. "Lanialellara fiel aus dem Himmel mit Feuer, Rauch und Schönheit. Sie trennte sich von ihren Flügeln, da sie mit den Menschen leben wollte. Und den Elben und Zwergen und was damals noch auf Erden wandelte. Unter anderem auch die Altvorderen, soweit wir wissen. Ob sie die Magie erschaffen hat oder Lanialellara ihnen nur dabei half, sie zu verstehen, wissen wir nicht.

Wir wissen aber, dass sie wirklich ein Reich erschuf mit der Hilfe von Zwergen und Elben. Lithrodil."

"Ja, wir kamen gerade aus Nimri.", schmunzelte Freyrín. "Der Krater ist beeindruckend."

"Das ist er. Man sagt, sie habe ihr Reich versenkt, um die Menschen vor den Versuchungen zu schützen, die in ihrem Reich vonstatten gingen und um die Menschen eine Lektion zu lehren, die wir bis heute nicht vollständig begreifen können."

"Gibt es darüber keine Aufzeichnungen?"

"Keine, die wir lesen könnten."

"Zu schade."

"Ja, es würde dem Buch der Farben eine Klarheit geben, die der menschliche Verstand nur schwer würde fassen können." Die Priesterin lächelte, aber Gavín hatte nur Augen für den in Feuer und Rauch gehüllten Engel, der offensichtlich Schmerzen litt, während er aus dem Himmel fiel. Die Flügel waren abgetrennt, rote Farbe sollte wohl Blut darstellen, welches aus den Schultern austrat.

Im unteren Bereich des Bildes schienen Gestalten die Hände in die Höhe zu strecken, um den Engel willkommen zu heißen. Auf den ersten Blick waren es Menschen, Elben und Zwerge, aber auch etwas, was als Altvorderer mit vier Armen hätte durchgehen können.

"Warum fallen ihre Flügel ab?", fragte Gavín, trat einen Schritt näher. Der Altar war wie das Bildnis aus weiß glänzendem Marmor gehauen.

"Sie wollte unter uns Sterblichen leben und damit sie als eine von ihnen gelten konnte, trennte sie sich im Fall von ihren Flügeln. Deswegen heißt das Ereignis auch Engelsfall." Der Priester zog Gavín sanft an der Schulter zurück, sodass er nicht den Altar berühre.

"Sie ist schön."

"Das ist sie." Beide Priester machten wieder die Geste mit der Handfläche nach vorne. "Möge sie uns bald wieder mit ihrer Herrlichkeit beehren."

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