Prolog

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Es begann alles mit einer Feder...

 

Jedenfalls hätte es so beginnen können. Jede Geschichte beginnt mit irgendetwas. Einem leeren Blatt, einem Pergament, einem Stift oder einer Feder, nur darauf wartend, in Tinte getaucht und losgelassen zu werden.

Aber nein. Diese Geschichte beginnt nicht mit einer Feder. Sicher, eine Feder schreibt sie auf, aber die Geschichte beginnt genau dort, wo alle Geschichten beginnen, seien sie gut, schlecht oder einfach nur so mittelmäßig, dass wir uns fragen, wer uns diese Zeit wieder zurückgibt.

Nein. Diese Geschichte beginnt dort, wo alle Geschichten beginnen.

Am Anfang.

Und am Anfang war das Nichts.

Also, nicht, dass es nichts war, es war einfach nur Nichts. Keine Materie, kein Licht, keine Dunkelheit, keine Sterne, nicht einmal der Flügelschlag eines Schmetterlings. Auch, wenn manche Philosophen die Abwesenheit von Licht als Dunkelheit und somit als "Nichts" betiteln, ist das nicht richtig.

Denn am Anfang war das Nichts. Das war dem Nichts aber nicht genug und so entsprang das Universum dem Nichts. Einige nennen es "den Großen Knall", aber auch das ist nicht die richtige Bezeichnung, denn es gab keine Geräusche, keine Druckwellen und auch keinen Lärm, als das Universum entstand.

Was es gab, war ein blendendes Licht. Jedenfalls wäre es so beschrieben worden, wenn es jemanden gegeben hätte, der hätte geblendet werden können. Aber es war niemand da, den das Licht blendete, erst danach rotierten sechs Lichter im Nichts. Jedes dieser Lichter strahlte in einer anderen Farbe.

Rot, grün, blau, golden, weiß und gelb.

Sie waren der Anfang. Sie waren das Licht, die Weisheit, die Schönheit, das Leben, die Erfahrung, das Wissen. Jedenfalls nannte man sie später so, aber zu dem Zeitpunkt waren sie sechs Wesen, die im Nichts schwebten. Sie gaben sich Namen, die heutige Zungen nicht mehr aussprechen können, da sie nur mit minimal einer und höchstens drei Zungen ausgestattet sind. Aber dazu kommen wir noch.

Sie gaben sich Namen, die man nicht aussprechen konnte, aber heute nennt man sie nur noch "die Sechs" oder, wenn man ihre Namen nicht nennen will: Drachen.

Natürlich waren es keine Drachen mit Flügeln, vier Beinen und feurigem Atem, auch, wenn sie sich hin und wieder in dieser mächtigen und existierenden Gestalt gezeigt hatten.

Das Nichts war immer noch da und das gefiel den Sechs nicht. Sie sannen nach und entschieden sich dafür, etwas Feuer in das Nichts zu geben und etwas von ihrem Wesen. So wurde die erste Sonne und die Materie geschaffen, damit die Sonne, ein späterer Stern, auch leuchten konnte.

Über die Äonen sannen die sechs Drachen über ihre Sonnen nach. Sie waren alle schön, einige rot, andere blau, manche pulsierten. Aber etwas fehlte ihnen. Der rote Drache sprach von flüssigem Feuer, aber die Sonnen waren bereits Feuer.

Der gelbe Drache sprach von Wissen und erntete Zustimmung, nur wohin mit dem Wissen? Und wie entstand weiteres Wissen?

Der weiße Drache sprach von Licht, aber das hatten sie zur Genüge, sogar in vielen kleinen, großen und mittleren Ansammlungen und Ballungen.

Der blaue Drache sprach von einer Kraft, welche genutzt werden konnte und schied sie aus, ohne gefragt oder auf eine Antwort gewartet zu haben. Dennoch störte es die Drachen oder ihre Sonnen nicht.

Der goldene Drache sprach von sich selbst und wurde größtenteils ignoriert.

Aber erst der grüne Drache sprach von eigenen Wesen, die einen Teil der Drachen in sich trugen, aber eigenständig lebten, Wissen anhäuften, sprachen, sich fortpflanzten und Gefühle zeigten. Wobei die Drachen noch nicht wussten, was ein "Gefühl" war, so würden sie es bald erfahren.

Sie stimmten dem grünen Drachen zu und erschufen Wesenheiten. Einige davon kennt man heute als Dämonen. Der erste Dämon, eine groteske Mischung aus Mündern, Augen, Armen und Beinen, hieß Slurgash'rash'run. Er war gepeinigt, schmerzerfüllt, denn die Drachen wussten nicht, was "Leben" war und freuten sich.

Slurgash'rash'run aber, Erster seiner Art, verfluchte seine Erschaffer. Sie hatten ihn nicht gefragt, ob er leben wollte und ob er voller Schmerz und Pein leben wollte. Er saugte vieles von der Kraft auf, die der blaue Drache abgesondert hatte, riss einen Spalt in die Dunkelheit und verschwand.

Die Drachen kümmerte es nur insoweit, dass sie lernen und ihre Kreaturen beherrschen mussten. Sie gehorsam machen und nicht so stark.

Es gab viele Versuche. Viele Varianten, viel Leben. Nichts davon wollte so recht gelingen, also gaben sie es erst einmal auf und schufen nach und nach den Raum, den ihre Lebewesen bevölkern sollten. Unzählige Planeten rotierten Äonen nach diesem Fehlschlag um ihre wunderschönen Sonnen. Einige waren zu nah an die Sonne gesetzt worden, sodass sie verbrannten, andere waren zu weit weg und erfroren. Aber einige waren perfekt einsortiert worden, so gedieh Leben darauf.

Zuerst wurden Pflanzen erschaffen. Eigentlich war es eher ein großer, garstiger Nieser des grünen Drachen, der blaue Drache lachte Tränen - oder etwas in der Art, bei Drachen weiß man ja nie - und so entstanden die Meere.

Es folgten Tiere, welche eine eigene Weisheit bekamen und gediehen. Die Drachen sahen herab und befanden, dass es ein guter Anfang war. Auch schufen sie große, fliegende Feuer und andere Dinge speiende Kreaturen, die sie an sich selbst erinnerten und welche die Erinnerung an die Sechs in sich trugen und ihre Essenz. Auch hier waren sie zufrieden. Das war gut, den Drachen aber noch nicht recht. Ihre Abkömmlinge lebten auf den Planeten, konnten nicht zu ihnen.

Also brüteten die Sechs über ihren Ideen. Dieses Mal dauerte es keine Milliarden Fehlschläge und Äonen, bis sie - nach heutiger Zeitrechnung nach nur ein paar Millionen Jahren - ein Wesen erschufen, welches fast perfekt war.

Aber nur fast.

Die Engel waren entstanden. Eine unsterbliche Spezies, die sowohl auf den Planeten als auch im Raum zwischen den Welten überleben konnte. Winzig, wenn man die Ausmaße der Drachen bedachte. Auch ihnen war Magie gegeben und Flügel, damit sie reisen konnten.

Nach und nach wuchs die Population der Engel, sodass sie einen großen Teil des Raums im Nichts bevölkerten. Auch waren sie irgendwann die Wächter des Raums gegen Slurgash'rash'run, der Nachkommen und andere Verwandte schickte, um die Drachen voller Hass zu vernichten.

Die Kriege gegen den Ersten der Dämonen und seine Abkömmlinge waren blutig, verheerend und unerbittlich. Keine der Seiten wollte nachgeben, es war ein Wettstreit darum, wer schneller kriegsbereite Nachkommen zeugen konnte. Die Engel verloren diesen Wettstreit, glichen aber die zahlenmäßige Unterlegenheit mit Eifer, dem Glauben an die Drachen und ihrer Magie aus. Monde, Welten, ganze Sonnensysteme wurden dunkel, Milliarden Leben zu Asche verbrannt.

Nach blutigen Siegen verschwand Slurgash'rash'run wieder dorthin, wohin er geflüchtet war und die Drachen wandten sich wieder neuem Leben zu, ließen die Ruinen der Kriege erst einmal beiseite. Eine der Welten hatte es ihnen angetan, es war ihre Perle, ihr Schatz und ein wenig auch der Ort, wo sie neue Dinge ausprobierten.

Sie erschufen Wesen mit mehreren Beinen und Armen; Wesen mit Haut, Fell und Reißzähnen; Wesen ohne Fell, dafür mit noch mehr Reißzähnen; Wesen, die in Bäumen und in der Erde lebten; Wesen, die darauf wandelten und weder dahin noch dorthin passten; Mischwesen kamen dazu und welche, die nichts davon waren.

Die Sechs sahen, dass ihr geschaffenes Leben nicht litt, freuten sich, lernten, sahen, dass es gutes Leben war.

Einer der Engel sah dieses Werk und fragte die Drachen, ob sie diese Welt ihr Zuhause nennen durfte, denn sie war eine Ausgestoßene, hatte keinen Partner, keinen Zweck und wollte auf Erden wandeln, die fremden Wesen kennenlernen, Weisheit und Wissen ansammeln.

Aber die Drachen verweigerten es ihr, denn sie wurde gebraucht für einen Zweck, den sie nicht verstand, denn Slurgash'rash'run war geschlagen; es würde Zeitalter dauern, bis er sich wieder zeigen würde.

Die Drachen verweigerten es ihr, was das erste Gefühl neben Stolz in ihr hervorrief: Wut.

Sie sprach mit einigen der Engeln, aber sie wurde immer wieder abgewiesen, fortgeschickt, manchmal verprügelt oder bedroht. Sie zog sich zurück, tief in einen zersplitterten Mond hinein, wo höchstens die Drachen sie entdecken würden. Sie dachte nach, sann auf ihre Möglichkeiten, lernte sich und die Welt um sie herum kennen.

Nach und nach nahm sie viel von der Kraft auf, die der blaue Drache erzeugt hatte und wandte sich gegen ihre Schöpfer, wollte Antworten und die Freiheit, die sie glaubte, ihr gutes Recht zu sein nach all den Kriegen. Rückhalt aus den eigenen Reihen hatte sie nicht, ihre Eltern waren die Drachen und entgegen aller Weisheit richtete sie Speer, Schild und Schwert gegen sie.

Was die Drachen nicht wussten: aus dem Nichts waren nicht Sechs erschienen. Sondern Sieben. Der siebte Drache war so schwarz wie das Nichts selbst und er strahlte kein Licht aus. Er hatte sich zurückgehalten und gewartet. Auf den richtigen Augenblick.

Dieser Augenblick, dieser Moment, dieser kleine Flügelschlag, war gekommen. Er stärkte den Speer, den Schild und das Schwert des Engels, um die Drachen zu vernichten.

Der rote Drache aber verteidigte seine Geschwister. Der Speer und das Schwert rissen tiefe Wunden in seine Essenz, aber er war stärker als der Engel und auch in ihm keimte das Gefühl der Wut auf, also sprach er wütend zu ihr.

"Du stellst dich gegen uns, deine Erschaffer? Du willst auf dieser Welt leben, anstatt bei uns zu sein? So sei es denn!" Mit einem Schlag seiner Pranke schleuderte er sie hinab auf die Welt und trennte sie beim Aufschlag von ihren Flügeln. "Seist du gefesselt an diese Welt, mit oder ohne deine Flügel. Nie mehr mögst du für deinen Frevel zu uns kommen. Lebe und verzweifle!"

Auf der Erde weinte der Engel vor Schmerz und Verlust, verwundet, allein. Sie hatte ihr Ziel erreicht, aber anders als sie es gewollt hatte. Es war doch nur eine Welt und so ein kleiner Wunsch gewesen, welcher Harm, welche Unbill konnte daraus denn entstehen? Auf diese Frage hatte sie keine Antwort und mit dem ersten Atemzug der neuen Welt kamen auch die Gefühle und ihr Herz, schwer und einsam und noch nie in Kontakt mit Gefühlen gekommen, zerbrach.

Und hier, mit dem Fall eines Engels, beginnt unsere Geschichte.

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