Myrtax VI - Unerwartete Entwicklungen

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31. Katzen 7344 Vierte Ära NL

Abenddämmerung

Myrtax

 

Es war die Zeit des Tages, der am geschäftigsten war. Die menschlichen Diener und Sklaven beendeten ihr Tagwerk, bereiteten die Übergabe für die vampirischen Diener und Sklaven vor. Fast jeder wusste, was er zu tun hatte, ohne, dass man es ihm sagen musste.

Zu dieser Jahreszeit war es vor allem Laub wegfegen und als Heizmaterial für die Öfen der Dienerschaft verwenden. Nicht, dass die Blätter des Ebenholzdickichts besonders gut oder heiß oder lange brannten. Nein, sie brannten so schnell wie ein Blatt im Herbst nun einmal brannte. Es gab von ihnen aufgrund der riesigen Bäume nur sehr viel. Sie verstopften Regenrinnen, Kaminschlote, bedeckten die Gärten, Wege und Höfe.

Notwendige Reparaturen wurden dann und wann ausgeführt, denn es ging auf den Winter zu und weder die Menschen noch die Vampire - adlig oder nicht - wollten in Häusern und Stuben sitzen, wo durch feinste Risse und Spalten der Wind pfiff und die Kälte hineinkroch.

Die meisten Frauen und wenige Männer waren dazu eingeteilt, um die Wolle der geschorenen Schafe zu säubern, welche später zu warmer Kleidung verarbeitet wurde. Myrtax hatte das Glück gehabt, einen der ersten dünnen Mäntel von seinem Herrn gestellt zu bekommen. Er juckte und kratzte dann und wann, aber er hielt wärmer als erwartet. Schweiß rann ihm den Rücken hinab, als er sich in die Büsche hinter dem Anwesen schlug und den wenigen gerade entgegenkommenden menschlichen Vorarbeitern das Sklavenhalsband mit den Zeichen des Herrn Jilal Lachlidan zeigte.

Sie ließen ihn anstandslos passieren, sprachen aber sonst kein Wort mit ihm, beschimpften ihn nur, was man nicht unbedingt unter Sprache verstehen konnte.

Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch die wenigen Lücken in den Baumkronen und zwischen den dicken Stämmen des Ebenholzdickichts. Die ersten niederen Vampire betraten die Felder und Wege, vermieden die orangenen Lichtkegel auf dem Boden, ein Problem, welches Myrtax nicht hatte. Nur der pfeifende Wind um seinen Kopf und an den Händen raubte ihm mehr und mehr die Körperwärme. Er setzte sich die Kapuze auf und lief gesenkten Kopfes weiter in die Büsche hinein, welche irgendwann nicht mehr schnurgerade waren, sondern ausgetretenen Trampelpfaden ähnelten.

Die letzten Vögel zwitscherten in den Ästen über ihm, Eichhörnchen kletterten keckernd über die grobe Rinde der Bäume, als wollten sie sagen, dass er störte. Wahrscheinlich tat er das sogar, aber er hatte gerade andere Sorgen als die Befindlichkeiten von Eichhörnchen.

Myrtax hatte keine Lampe dabei. Er hoffte, dass der gerade abnehmende Vollmond genug Licht spenden würde. Sein Besuch war nicht erlaubt und er durfte auch nicht zu viel Zeit bei dem Druiden verbringen. Sein Herr Jilal würde in etwa zwei Stunden aus seinem Gemach kommen. Also hatte Myrtax mit Hin- und Rückweg vielleicht eintausendachthundert Herzschläge. Oder dreißig Minuten, je nach Rechnung.

Myrtax stolperte über eine Wurzel, die sich gemeinerweise unter einigen Blättern versteckt hatte und fluchte. Er durfte seine Schuhe nicht ruinieren. Der nächste Satz Schuhe war erst im nächsten Winter fällig.

Etwas raschelte in den Büschen und hüpfte davon. Myrtax konnte nur einen großen Schatten sehen, der ihm bis zu den Knien ging. Er hätte eine Lampe mitnehmen sollen, obwohl sie ihn vielleicht verraten hätte.

Nach der Beschreibung der wenigen Diener, denen er vertraute, musste der Druide Diosmos nicht mehr weit sein.

Diosmos. Ein merkwürdiger Name. Er bedeutete so viel wie "Erdgebundener" in der Sprache der Vampire, aber Myrtax hatte nicht herausfinden können, woher der Name genau stammte.

Der Pfad wand sich zwischen den Bäumen hin und her, umspielte Brombeerbüsche beinahe wie die zarte Berührung einer Feder und endete dann vor einem Feld, welches übersät war mit im restlichen Sonnenlicht glimmenden Pflänzchen. 

Das Feld war etwa neun Meter breit und vier Meter lang. Der Pfad gabelte sich und führte um das Feld herum zu einem Haus, welches wie gewachsen aussah. Als hätte ein Baum sich entschieden, nicht mehr als sechs Meter in die Höhe zu sprießen, sondern eher in die Breite. Es gab zwar einige Fenster, die waren allerdings mit dicken Vorhängen verhangen. Die ovale Holztür mit dem Seil als Klinke schmiegte sich unter einen Überhang, der wohl den Regen fernhalten sollte. Aus dem Kamin stieg Rauch auf. Auch der Schlot bestand aus Holz. Eine hölzerne, etwas dunklere Bank stand links von der Tür. Auch sie schien wie aus einem einzigen Stück Holz gewachsen zu sein.

Myrtax wohnte seit seiner Geburt in solchen Häusern, nicht zum Schluss das Anwesen der Lachlidan, aber er hatte noch nie gesehen, wie solch ein Haus entstand oder angepasst wurde. Meistens war es einfach da. Oder neue Duschräume. Wasch- oder Vorratskammern. Auch sein eigenes Zimmer im großen Baum schien so gemacht worden zu sein.

Zögerlich näherte sich Myrtax dem Haus. Der Druide Diosmos war nicht nur zuhause, sondern auch wach, wie der Rauch aus dem Kamin andeutete.

Bevor er die Tür erreichen konnte, hörte Myrtax ein scharfes Rascheln und plötzlich hatten ihn mehrere Rosenranken an den Beinen und Armen gepackt, ihre Stacheln stießen durch den Stoff und piekten in seine Haut. Hoffentlich wurde der Mantel nicht zerstört oder mit Blut besudelt.

"Wer geht da?", kam die tiefe Stimme des druidischen Vampirs aus dem Haus. Die Sonne war fast verschwunden und Myrtax fragte sich fast panisch, ob er zu dumm gewesen und die Rosen nicht gesehen hatte oder ob die Rosen vorher nicht da gewesen waren.

"Myrtax, Herr.", antwortete der Sklave rasch, er spürte die Bewegungen der Ranken. Sie erschienen ihm bösartig. Es könnte aber auch Einbildung sein. Auf jeden Fall bereiteten sie ihm unangenehme Schmerzen.

"Myrtax?" Die Stimme lachte. "Du bist der kleine Sklave vom jungen Herrn?" Die Tür ging knarzend auf und der Druide kam heraus. Er war in Leinen gekleidet, seine Hände waren erstaunlich grob und rau für einen Vampir und er ließ sich einen Bart stehen, der wie ein Dreieck geformt war, was seinen langen schwarzgrauen Haaren irgendwie im Widerspruch stand, da sie ihm lose über die Schulter fielen. Seine Füße waren nackt, womit er kein Problem zu haben schien.

"Ja, Herr.", antwortete Myrtax rasch und schluckte. Dieser Vampir konnte ihn nur mit der Macht seiner Gedanken töten und dieser Umstand ängstigte den jungen Sklaven mehr als Schwerter oder die Peitsche.

"Was willst du, Bursche? Normalerweise schickt er einen Reiter." Die Ranken schlangen sich enger um seine Gliedmaßen und Myrtax biss sich auf die Wange.

"Ich möchte Wissen.", presste er heraus, ein metallischer Geschmack von Blut machte sich in seinem Mund breit.

"Und da kommst du zu mir? Such dir dein eigenes Wissen. Geh mir aus den Augen." Die moosgrünen Augen des Vampirs stachen zu wie Dolche. "Du bist auf eigene Gefahr hier? Warum sollte ich dich nicht in Stücke reißen oder dich zu deinem Herrn bringen? Die Peitsche ist eine zu milde Bestrafung, wenn du ohne sein Wissen hier bist."

"Ich weiß das alles, Herr.", rief Myrtax aus. "Aber ich möchte von Euch lernen, damit ich meinem Herrn noch besser dienen kann!"

Diese Lüge kam ihm so leicht über die Lippen wie das Atmen, denn das war zum Teil auch die Wahrheit. Er wollte mehr über Magie wissen und diese auch erlernen. Mehr zum eigenen Zweck, aber auch, falls sein Herr Hilfe benötigte oder anderweitig Probleme hatte. Vornehmlich wollte Myrtax aber Magie erlernen für sich.

"Ohne Erlaubnis, nehme ich an?" Der Druide schnaubte, seine moosgrünen Augen irrlichterten belustigt. Vielleicht auch verärgert oder sogar beides.

"Ja, Herr. Ich möchte Wissen, wie Ihr meinen Herrn nur mit heißem Wasser habt heilen können."

"Das ist alles?"

"Nein, Herr. Ich möchte alles lernen, was es zu lernen gibt. Ich bin nur ein Mensch, ich weiß das, aber ich möchte so hilfreich sein wie es nur geht."

Diosmos hob eine Augenbraue, schaute Myrtax so lange an, dass der Mensch das Gefühl hatte, er wäre im Stehen eingeschlafen, wenn da nicht die Augen wären, die sich minimal bewegten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der er in den dornigen Rosenranken hing, bewegte sich Diosmos wieder, in seiner Hand war die Sichel aufgetaucht, die Myrtax schon einmal bei ihm gesehen hatte.

"Nun gut. Ich kann dir erklären, wie ich den jungen Herrn geheilt habe. Aber mehr nicht. Es ist verboten und ich mag dich nicht. Du bist nur ein Mensch und wirst morgen nur noch eine Erinnerung sein. Ich werde meine kostbare Zeit nicht auf dich verschwenden."

Die Ranken ließen Myrtax los, hinterließen kleine Stichwunden in seinen Beinen, die Arme und somit auch der schöne Wollmantel blieben größtenteils verschont. Die Worte des Druiden stachen mehr als die Dornen es je könnten. Er wusste zwar, dass er ein Mensch und ein Sklave war und auch, dass Vampire so über Menschen dachten, war ihm bewusst, aber noch nie so ins Gesicht gesagt worden.

"Ja, Herr. Das ist alles, was ich möchte." Myrtax verneigte sich und bestaunte die Kräuter, die trotz der Kälte immer noch wuchsen. Sicherlich auch ein Teil der druidischen Magie.

"Was du möchtest, hat für mich keine Bedeutung. Falls du das magische Potential hast, kannst du lernen, aber ich sehe keinen Nutzen darin. - Gut, dann höre zu. Ich gebe dir jetzt eine sehr kurze Kurzfassung von dem, was die Druiden wissen und warum ich den Herrn so heilen konnte. Und ja, diese Wortwahl war beabsichtigt, denn wenn du wissen würdest, was ich weiß, würde dir dein kleiner Kopf in Flammen aufgehen."

Myrtax ließ es sich nicht anmerken, aber allmählich gingen ihm die Schmähungen des Druiden auf die Nerven. Dass er nicht das Wissen eines Vampir aufnehmen konnte, war ihm klar, aber er war nicht dumm!

"Alles um uns herum lebt.", begann Diosmos und achtete nicht darauf, ob Myrtax zuhörte. "Alles um uns herum ist im Fluss. In diesen und aus diesem Fluss strömt das Leben. In mich, in dich, in den jungen Herrn, in die Herrin Rovinna oder in den Hirsch, den man tötet und verspeist. Oder in den Baum, der uns hier als Unterkunft dient.

Jedes Leben kehrt in den Fluss zurück und von dort wieder hinaus. Es gibt keine Endgültigkeit, sondern einen großen Kreislauf des Lebens. Dieser Kreislauf ist stark und gefährlich. Wir Druiden bedienen uns seiner Macht, wenn wir die Bäume formen, die Pflanzen zum wachsen bringen oder Wunden verschließen.

Die Energie des Lebens ist verbunden mit dem Fluss der Welt. Sie ist heiß, sie ist wild, sie ist Chaos. Ein Körper ist Ordnung. Ein Schwert ist Ordnung. Wir Druiden formen aus dem Chaos eine Ordnung. Dazu benötigen wir Kraft. Entweder die unsere oder die des Weltenflusses. Diese Macht muss allerdings übertragen werden. Je geordneter ein Medium ist, umso schlechter ist die chaotische Übertragung, die wir nutzen können.

Also brauchte ich Kraft von einer anderen Quelle."

"Das heiße Wasser war die Quelle und Ihr habt seine Kraft genutzt...", murmelte Myrtax und irgendwie hatte er das Gefühl, gerade etwas sehr Wichtiges begriffen zu haben. Als würde zwei Hände perfekt ineinadergreifen oder jeder im Gleichtakt das Feld umpflügen.

"Genau. Du bist ja doch nicht so dumm." Die moosgrünen Augen des Druiden leuchteten im Schein des bereits aufgehenden Mondes und erschienen hart wie glühende Edelsteine. "Wenn du es schaffst, mit diesem Wissen Energie von einem Ort zum anderen zu transportieren, hast du die Hälfte bereits begriffen und erfolgreich gemeistert.

Nun verschwinde hier, du verlauster Mensch. Und wage es dich nicht, noch einmal ohne triftigen Grund oder Anweisung deines Herrn einen Fuß in meinen Wald zu tun."

Die kleine Bewegung mit der Hand reichte aus, um die Büsche und Hecken am Rande des Grundstücks sich bewegen zu lassen.

"Ja, Herr! Danke, Herr!", rief Myrtax aus, verneigte sich dreimal hastig aus Respekt dem Druiden gegenüber und rannte den Pfad zurück, den er gekommen war. Ein Ast schlug gegen seine Wange und er hoffte, dass er nicht blutete. Dass würde er seinem Herrn nicht erklären können.

Aber - und so unglaublich dies auch klingen mag - er hatte Glück. Der Ast hatte nur einen roten Streifen über seine Wange gezogen und Myrtax betrag gewaschen und etwas außer Atem das Gemach seines Herrn, als er sich aus dem Bett erhob. Eine große Rundung unter der Bettdecke zeigte Myrtax, dass Marseille wieder einmal die Nacht mit ihm verbracht hatte. Ein zweiter Blick offenbarte ein weiteres Paar kleiner Füße.

"Guten Morgen, mein Herr." Myrtax verneigte sich. Dieses Mal fiel ihm keine Strähne ins Haar, mittlerweile waren sie lang genug für einen Zopf.

"Du bist pünktlich.", befand Jilal, goss sich Wasser aus einer Silberkaraffe ein. "Bring uns Frühstück. Für drei. Nein, vier. Du isst mit uns."

"Herr?" Myrtax runzelte die Stirn. "Eine Ehre, mein Herr, nur warum?"

"Weil ich dich dabeihaben möchte. Außerdem habe ich nachher noch Aufträge für dich und die sollst du nicht mit leerem Magen begehen."

"Ich verstehe, Herr, aber ich bin nur ein Sklave."

"Mein Sklave."

"Richtig, Herr."

"Ich wünsche es so."

"Verstanden, Herr. Ich bringe das Frühstück sogleich."

"Und Waffeln!", rief es aus dem Bett und Myrtax behielt Recht, dass es Marseille war.

"Ja, Herrin." Myrtax drehte sich auf dem Absatz um und stiefelte Richtung Küche. Die Waffeln waren schnell zubereitet und wurden heiß unter eine Silberglocke gelegt, damit die Hitze nicht verflog. Die Waffeln bestanden aus Mehl, Eier, etwas Weinsteinsalz und Honig für den Zucker. Dazu wurde zwei Schalen Konfitüre aus Stein gereicht.

Das riesige Tablett wurde Myrtax hinterhergetragen, der menschliche Sklave trug sowohl die Teller als auch das Besteck und die Becher mit der Karaffe. Damit war er auch vollends ausgelastet.

Der Mann hinter ihm schwieg und schwieg auch, als sie in das Gemach des Herrn traten. Marseille half gerade der unbekleideten Sklavin in ihre Kleidung, die auch hier mehr zeigte als verbarg. Die Vertraute trug auch nicht mehr als einen dünnen Morgenmantel.

Die Sklavin schwieg, schien aber nicht betrunken oder anderweitig betäubt zu sein. Nein, sie schien fröhlich, fast glücklich zu sein, ihre Augen strahlten und ihre schmalen Lippen waren zu einem Lächeln verzogen.

Der menschliche Sklave drappierte nach Myrtax Anweisung alles auf dem Esstisch, auf dem auch Diosmos damals Jilal geheilt hatte. Myrtax verteilte Teller, Becher und Besteck.

"Du kannst gehen.", befahl der Vampir dem anderen Sklaven, welcher sich rasch verneigte und verschwand. Die Tür fiel leise ins Schloss.

"Setzt euch.", befahl der obenrum unbekleidete Jilal, deutete mit seinem nackten Arm auf die Stühle, die für Myrtax etwas zu verschnörkelt an der Rückenlehne waren. Er tat wie befohlen, ihm gegenüber saß Marseille, die sich wenig darum scherte, ob sie bekleidet war oder nicht. Neben ihm saß die für ihn namenlose Sklavin. Jilal schien an ihr Gefallen gefunden zu haben, denn er konnte nicht nur kleinere Bisswunden erkennen, sondern auch sehr große Flecke, die von Liebesbissen kamen und sich von ihrem Hals abwärts unter ihre Gewänder zogen.

Es schien, dass sein Herr Jilal nun eine menschliche Lieblingssklavin gefunden hatte. Eine Position, die sehr begehrt und teilweise sehr gefürchtet wurde. Und die der Sklavin durchaus zu gefallen schien.

"Esst. Trinkt. Bedient euch.", grummelte Jilal, griff sich gleich einen von den kleinen runden Käsehappen, die herzhaft dufteten und biss hinein. Brot folgte, genau wie Tee und Wein. Marseille schien mit den Waffeln zufrieden zu sein ebenso wie mit der Konfitüre. Ein kleiner Klecks landete in ihrem Ausschnitt, den sie mit dem Finger aufnahm und genüsslich, beinahe absichtlich verführerisch, ableckte. Ihr Blick fand Myrtax, der das alles allerdings nur sehr irritirend fand, was Marseille zu enttäuschen schien.

Myrtax nahm sich selbst Brot, Butter, Käse, etwas getrocknetes Fleisch. Er wollte nicht zu viel essen, man wusste schließlich nie, wie ein Vampir es auslegen konnte.

Niemand sprach, es waren nur Kaugeräusche zu hören und das gelegentliche Klimpern von Geschirr. Sein Magen grummelte und Myrtax führte ihm noch rasch ein paar Weinbeeren hinzu, damit er auch etwas Gesünderes im Magen hatte. Er traute sich auch nicht, die Frage zu stellen, was er hier sollte oder was der Anlass war, aber irgendwie konnte er es sich schon denken.

"Nun denn.", schmatzte Jilal, lehnte sich zurück. Ihm schien nur noch eine Pfeife zu fehlen, sonst wirkte er merkwürdig ausgeglichen. "Du fragst dich sicherlich, warum du hier bist."

Myrtax schien es weise zu schweigen, nickte also nur.

"Das da", Jilal deutete auf die Sklavin, die nun ein breites Lächeln zeigte, "ist meine neue Eroberung, sie heißt Huria. Sie wird von nun an gemeinsam mit Marseille bei mir wohnen, in meinem Bett schlafen, mit mir essen, baden und gemeinsam mit Marseille und mir durch die Laken wühlen."

Er grinste breit.

"Meine Eltern wissen es schon. Sie erwartet mein Kind."

Myrtax verschluckte sich beinahe an seinem lauwarmen Tee und schaute die Frau überrascht an, die nur nickte.

"Es ist bereits zu spüren, wenn man weiß, wo man drücken muss.", säuselte Marseille gefährlich leise und Myrtax konnte sich vorstellen, dass dieses "drücken" nicht sehr angenehm gewesen sein konnte. "Sie wird ein prächtiges Kind gebären. Sie ist die Spitze ihrer gesunden Blutlinie und der Herr Jilal ist die Spitze seiner Blutlinie."

"Das weiß das Menschlein doch.", raunte Jilal ihr zu, bevor seine Augen Myrtax fanden. "Was nun deine Aufgabe ist, sei dir rasch erklärt: kümmere dich um uns, vor allem sie. Wasche sie, pflege sie, lies ihr ihre Wünsche von den Lippen und Augen ab. Sie darf dir allerdings keine Befehle geben. Kleide sie, wasche sie und wenn sie Probleme hat, beseitige sie, soweit möglich. Und wenn du ihr den Hintern abwaschen musst, ist es mir egal. Du kümmerst dich darum."

"Ja, Herr." Myrtax verneigte sich im Sitzen, was seinen Kopf beinahe mit der Tischplatte kollidieren ließ. Ihm war seltsam kalt. Huria hatte das geschafft, was fast jede Sklavin oder Dienerin wollte: sie war nicht nur Lieblingssklavin geworden, sondern auch Mutter eines adligen Vampirs. Unter Umständen - und falls sie überlebte - konnte sie damit in die Familie des Vaters aufgenommen werden und war somit keine Sklavin mehr.

"Gut. Ich werde dir einen Satz für ihre Rasur geben, denn auch das ist deine Aufgabe."

Myrtax schaute Huria an, die genauso erschrocken aussah wie er sich fühlte. Sie hingegen traute sich aber kaum ein Wort zu sagen. War sie vielleicht stumm? Myrtax hatte sie bisher noch nicht reden hören.

"Ich soll sie...rasieren?", brachte der junge Sklave stockend hervor. Arme, Beine und Achseln waren ja in Ordnung, aber alles andere?

"War das undeutlich?" Jilal grinste nicht mehr. "Rasiere sie. Ich will sie so glatt haben wie ein eingeseifter Stein. Mir ist es egal, was du dafür tun musst und was sie dabei fühlt. Ich will sie so nahe an einem Vampir haben wie möglich."

"Ja, Herr.", antworteten die beiden Sklaven gleichzeitig und Myrtax stellte fest, dass die Stimme von Huria erstaunlich angenehm war. Leise und so sanft wie der Schlag eines Schmetterlings.

"Gut. - Huria? Ab ins Bett mit dir, zieh dich aus. Dort wirst du jetzt sein, wenn du nicht austreten oder dich waschen musst beziehungsweise rasiert und gewaschen wirst."

"Ja, mein Herr." Huria stand auf, löste die Schnüre ihres Kleids auf dem Weg zum Bett und ließ ihren schönen Körper in die Kissen und Decken sinken.

"Komm." Marseille stand auf, deutete auf Myrtax. "Ich gebe dir, was du brauchst, danach schauen wir, was Huria so an Habseligkeiten hat und sortieren aus. Sie braucht ja nun nichts mehr."

Myrtax nickte nur beklommen und stimmte ihr insgeheim zu. Huria war jetzt eine Gefangene. Eine Gefangene, die das Kind eines Vampirs in sich trug.

Eine Gefangene auf Lebenszeit.

Myrtax drückte ihr die Daumen, dass sie es auch überlebte.

 

 

 

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